Radikale Akzeptanz

Es gibt Tage, da stehe ich auf und denke: Fuck.

Letztens war genau so ein Tag. Mein Körper war erschöpft von den Strapazen der letzten Wochen – ich lag flach. Plötzlich reagierten meine Nägel allergisch, mein ganzer Körper zeigte Symptome. Und mit dem scheinbaren Verlust meiner Ästhetik wurde auch mein Selbstwert erschüttert. Ich glaube, wir alle kennen solche Tage.

Doch diesmal war etwas anders.
Zunächst verfiel ich in meine gewohnten Verhaltensmuster: Ablehnung meines Körpers. Rückzug aus dem sozialen Leben, weil ich mir einredete, nicht gut genug zu sein. Und natürlich das Wegstoßen geliebter Menschen, weil ich dachte, ihrer nicht würdig zu sein. Traurig, was ein Mensch alles durchmacht – nur weil Haut, Gewicht oder Haare vermeintlich nicht „schön genug“ sind.

Mit einer gewissen Hingabe machte ich mich fertig und versank im Selbstmitleid. Bis ich kurz inne hielt und mir dachte: Stopp. Dieses Verhalten stammt aus einer ganz anderen Zeit. Und bin ich nicht die Möchtegern-Bloggerin, die anderen erzählt, dass nur sie selbst ihre Richtung ändern können?
Warum also ändere ich meine nicht?

Also beschloss ich, in die radikale Akzeptanz zu gehen.
Ich akzeptierte meinen geschwächten Körper, mein verändertes Aussehen – und dass Heilung Zeit braucht. Ich akzeptierte das Leben.
Und ich hörte auf, mich zu verstecken. Stattdessen ging ich unperfekt in die Welt hinaus.

Ich setzte mir kleine Etappenziele, um mein Gleichgewicht zwischen Gesundheit und Aussehen wiederzufinden. Ich hörte auf, anderen gefallen zu wollen. Denn genau da lag das Problem: Ich geriet in Zweifel und Selbstsabotage, weil ich mehr darüber nachdachte, was andere über mich denken könnten – als darüber, was ich über mich denke.

Immer wieder ertappe ich mich dabei, wie wichtig mir doch noch die Meinung anderer ist.
Warum ist das so?

Ganz einfach: Die Glaubenssätze sitzen tiefer, als man denkt – geprägt durch frühe Traumata.
Mein Gefühl, nicht wertvoll genug zu sein, hat seinen Ursprung in der Kindheit. In den Werten meines Elternhauses. Und im Mobbing in der Grundschule.

Täglich wurde ich gedemütigt – körperlich und psychisch. Ich wurde nicht als wertvoll angesehen und musste dafür leiden:
Gefesselt an Bäume, bespuckt, geschlagen.
Beschimpft, ausgegrenzt, zum Alleinsein verdammt.
Jeden Tag die stille Hoffnung, dass mich jemand zum Spielen mitnimmt. Die ständige Angst vor Schikane und Ausgrenzung – sie führten zu Bauchschmerzen und Angstattacken.

Im Jugendalter versuchte ich, zu gefallen – und machte mit beim Mobbing, nur um nicht wieder selbst Opfer zu werden.
Das alles hinterließ tiefe Spuren: Selbstkritik, stundenlanges Weinen vor dem Spiegel, weil ich mich selbst nicht schön fand. Ich setzte Hoffnung in die falschen Menschen – nur um dazuzugehören.
Ich übte Gespräche, spielte Szenarien durch, damit ich auf der nächsten Party „everybody’s Darling“ sein konnte.
Ich wurde anfällig für toxische, manipulative Menschen, die mich klein hielten, damit sie sich selbst größer fühlen konnten.

Am Ende wurde der Druck so groß, dass ich begann, mich selbst zu zerstören.
Daraus entwickelten sich meine Verhaltensmuster.

Doch heute – nach Tälern, Schluchten und Stürmen – habe ich mich für mich entschieden.
Ich breche aus. Ich ändere die Richtung. Ich übernehme Verantwortung.
Ich gebe niemandem die Schuld für mein Leid – auch mir nicht.

Ich lasse die Vergangenheit ruhen.
Ich erkenne: Damals war ich ein Kind. Heute bin ich ein erwachsener Mensch, der sich um sich selbst kümmern kann.
Und ja – der Weg ist hart.
Erfordert Mut. Viel Mut.
Vor allem, um das Gewohnte loszulassen.

Aber es lohnt sich.
Nur durch radikale Akzeptanz lässt du los – und änderst deinen Weg.

Mein Trauma durch das Mobbing hat mich sensibler gemacht – für mich, für andere. Es hat mir gezeigt, wie sehr unsere Gesellschaft noch immer im Schubladendenken gefangen ist.
Wie sehr wir alle kämpfen, gemocht zu werden, besonders zu sein, aus der Masse hervorzustechen – nur um irgendwann sagen zu können: „I made it.“

Doch ist wahrer Erfolg nicht, bei sich selbst anzukommen – und sich an guten wie an schlechten Tagen zu lieben?

Vielleicht sollten wir aufhören, besonders sein zu wollen.
Vielleicht sollten wir einfach akzeptieren, ein Teil des Ganzen zu sein. Mehr nicht.

Mache ich diesen Blog für andere – oder für mich?
Für mich.
Damit ich mich eines Tages daran erinnere, was ich in meinen Zwanzigern alles gelernt habe.

Weiter
Weiter

Traumata